Zehn Tage in Veracruz
Nach etwas über einer Stunde Fahrzeit kam ich mit dem Bus von Orizaba aus in Veracruz an. Dort holte mich Nayeli, eine Schwester aus einer lokalen Gemeinde, mit dem Auto ab und brachte mich zu ihrem Haus in Boca del Rio (wörtlich Mündung des Flusses), einem Ort der mit Veracruz über die Zeit zusammengewachsen ist.
Für zehn Tage wohnte ich dort zusammen mit ihr und ihrer Mutter Judith, bevor ich nach Hermosillo weiterreiste. Für mich richteten sie einen separaten Raum mit einem Bett, Klimaanlage und sogar einem eigenen Badezimmer her. Ich habe es sehr genossen, dort zu wohnen. Die beiden kümmerten sich hervorragend um mich und versorgten mich mit allem, was ich brauchte. Innerhalb kürzester Zeit fühlte ich mich wie einen Teil der Familie.
Da ich vor meiner Anreise bereits einen Kontakt nach Veracruz hatte, konnten einige Geschwister vor Ort für mich einige Aktivitäten vorbereiten.
Samstag
Am Samstag schlief ich aus, weil ich erneut meinen Wecker im Vibrationsmodus wegen des Surrens der Klimaanlage nicht hörte. Das tat mir aber auch ganz gut, denn etwas mehr Schlaf hatte ich wirklich nötig. Nachdem ich aufgewacht war, war es auch schon direkt Zeit, das Mittagessen vorzubereiten. Am Tag davor hatten wir noch schnell die meisten Zutaten für Schnitzel und Pommes gekauft, die wir nun für uns und zwei weitere Geschwister aus der Gemeinde zubereiteten. Die Schnitzel waren sehr lecker und kamen gut bei den Mexikanern an.
Später zeigte mir Nayeli noch die wichtigsten und schönsten Stellen in der Stadt. Am Nachmittag fuhren wir zum Stand von Boca del Rio, wo wir einen Spaziergang barfuß im Sand machten. Das war tatsächlich das erste Mal, dass ich in Mexiko am Strand war. Später gingen wir noch zum Malecón, einem schön hergerichteten Platz am Hafen, wo es zahlreiche kleine Läden gibt. Im Zentrum kaufte Nayeli mir anschließend noch einige traditionelle Gerichte, darunter ein traditionelles Eis aus Jocote.
Sonntag
Am Sonntag gingen wir in eine Gemeinde in Boca del Rio und besuchten dort wir gleich zwei Gottesdienste. So hatte ich mehr Zeit, um die Leute aus der Gemeinde kennenzulernen. Im Anschluss gingen wir mit einer Gruppe junger Erwachsener aus der Gemeinde in ein Café und blieben dort bis zum Abend. Wir hatten eine sehr gute Zeit und viele interessante Gespräche. Auf Anraten von Nayeli probierte ich dort außerdem einen Taro-Frappé, der mir sehr gut gefiel.
Montag
Gleich in der Früh machte ich mich auf den Weg in einen anderen Teil der Stadt, wo ich Ana Keren (eine Freundin von Nayeli) und ihre Mutter traf. Kurz darauf machten wir uns auf den Weg in einen abgelegenen Teil der Stadt, der offensichtlich deutlich ärmer war. Die Straßen waren sehr schlecht und voller Schlaglöcher und auch am Erscheinungsbild der Häuser ließ sich die Armut der Gegend ablesen.
Schließlich kamen wir an einer Schule an, die eigentlich das Haus einer der zwei Lehrerinnen ist. Weil viele Kinder von Immigranten keine Papiere haben, können sie nicht an normalen Schulen teilnehmen. Deswegen nehmen sich die zwei Lehrerinnen ehrenamtlich Zeit, um den etwa 30 Kinder unterschiedlichen Alters eine gute Schulbildung mitzugeben. Dadurch haben die Kinder immerhin Zugang zu Bildung, auch wenn die Bedingungen mit nur zwei Lehrerinnen für sämtliche Altersstufen und mangelnder Ausstattung (z. B. keine Klimaanlagen) nicht unbedingt ideal sind.
An diesem Vormittag nahmen wir uns Zeit für die Kinder, um die Lehrer zu entlasten. Wir brachten auch einige Spielsachen, Kleider, Snacks und Getränke mit. Wir spielten mit den Kindern verschiedene Spiele und erzählten ihnen von Jesus. Ich erzählte von einige Sachen, die Gott in meinem Leben getan hatte. Die Kinder freuten sich sehr über den Besuch und hatten auch einige Fragen zu meinem Herkunftsland Deutschland, von dem sie noch kaum etwas gehört hatten. Gegen Mittag war die Schule schließlich vorbei und so verabschiedeten wir uns von den Kindern, bedankten uns bei den Lehrerinnen und machten uns auf den Rückweg.
Ana Keren und ihre Familie luden mich anschließend noch zum Mittagessen ein. Wir hatten gute und unterhaltsame Gespräche und spielten anschließend noch ein Kartenspiel. Die lockere, freundliche und unterhaltsame Art der Familie genoss ich dabei sehr.
Dienstag
Den Dienstagvormittag nutzte ich, um etwas Arbeit an meinem Rechner zu erledigen. Am Nachmittag bereitete ich eine Predigt vor, die ich schließlich am Abend in einer kleinen Gemeinde hielt. Dabei fokussierte ich mich auf das Königreich Gottes, insbesondere auf Matthäus 6:33 und was es bedeutet, als Bürger des Königreiches Gottes zu leben.
Trachtet vielmehr zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch dies alles hinzugefügt werden! ~ Mat 6:33
Wer sich auf das Königreich Gottes fokussiert, muss sich nicht um die alltäglichen Dinge, die man zum Leben braucht, Sorgen machen, denn Gott kümmert sich bereits darum. Ich finde, das ist ein starkes Versprechen von Gott. Ich lade dich, selbst über diesen Vers zu meditieren und was es heißt, ein Bürger und Botschafter dieses Königreichs zu sein. Ich würde hier gerne die ganze Predigt erklären, aber dafür schreibe ich besser bei Gelegenheit einen separaten Artikel.
Obwohl es das erste Mal war, dass ich auf Spanisch predigte, konnte ich mich recht flüssig ausdrücken. Der Heilige Geist unterstützte mich kräftig dabei, die richtigen Worte und Gedanken zu finden.
Nach dem Gottesdienst luden mich ein paar Gemeindemitglieder zum Essen ein. Sie bestellten einige Flautas (auch Tacos Dorados genannt) und bereiteten noch ein paar weitere Kleinigkeiten vor. Da für mehr Personen bestellt wurde, als anwesend waren, konnte ich drei Teller mit insgesamt zwölf Flautas essen.
Mittwoch
Auch den Mittwoch nutzte ich, um an meinem Rechner zu arbeiten. Am Nachmittag ging ich mit Ana Keren und zwei Schwestern aus der Gemeinde zum Boulevard zum Evangelisieren. Da sich die anderen beiden etwas verspäteten, fingen wir schon mal an, zu evangelisieren. Als die beiden schließlich ankamen, trennten wir uns in zwei Teams mit jeweils zwei Personen auf. Wir hatten an diesem Tag viele gute Gespräche und konnten auch für die meisten Personen beten. Ich bin mir sicher, dass Gott in vielen Fällen uns an diesem Abend genau zur richtigen Zeit zu den richtigen Personen geschickt hat.
Danach fand noch ein Gebetsabend in Nayelis Haus statt. Dort hatten wir eine sehr erfüllte Zeit des Lobpreises und des Gebets. Wir beteten für einander und für verschiedene Projekte in Veracruz, während die Gegenwart des Heiligen Geistes deutlich spürbar war.
Donnerstag
Am Donnerstagnachmittag war ich zu einem Jugendtreff einer anderen Gemeinde eingeladen. Wir nutzten die Zeit für persönlichen Austausch und ich gab Zeugnis von einigen Sachen, die ich mit Gott während meiner Zeit in Mexiko erlebt hatte. Außerdem konnte ich die Jugendlichen ermutigen, Gott nachzufolgen, denn jeder, der Gott sucht und ihm nachfolgt, kann genauso viel wie ich, sogar noch viel mehr mit Gott erleben. Diese persönliche Art, Zeugnis zu geben und mich mit den Jugendlichen zu unterhalten, gefiel mir gut und ich auch die Jugendlichen waren sehr interessiert an meinen Erfahrungen.
Freitag
Der Freitag hatte ich keine Aktivitäten geplant. Weil ich gehört hatte, dass man am Boulevard Inline-Skates ausleihen kann, hatte ich mir vorgenommen, diese Gelegentlich zu nutzen. Am Nachmittag traf ich mich also mit Ana Keren und ihrer Schwester Andrea zum Skaten. Die geliehenen Skates waren zwar nicht optimal und an einem Schuh wackelte sogar ein Rad, aber ich konnte mich schnell daran gewöhnen und trotzdem recht solide skaten.
Zuerst blieben wir an einer Stelle, wo man viel Platz hatte, um Tricks zu üben. Danach fuhren wir ein gutes Stück am Boulevard entlang. Durch die Bänke, Pöller und Bushaltestellen auf dem Boulevard konnte ich den Weg wie einen Parkour nutzen und auch um die Passanten konnte ich elegant navigieren. Insgesamt genoss ich es sehr - insbesondere da ich seit Monaten nicht mehr skaten gegangen war.
Samstag
Am Samstag stand ich sehr früh auf. Ich half zuerst Nayeli für ein paar Minuten, Tortas (Sandwiches) vorzubereiten, die sie später mit einigen Brüdern und Schwestern aus der Gemeinde in einem Krankenhaus verteilte. Die Gruppe trifft sich regelmäßig, um Menschen im Krankenhaus zu dienen, ihnen Jesu Liebe zu zeigen und die rettende Botschaft von ihm zu verkünden.
Nachdem wir mit den Tortas fertig waren, brachten Nayeli mich zum Haus von zwei Geschwistern. Von dort aus machten wir uns auf den Weg in die Berge und fuhren dabei etwa vier Stunden lang durch den Bundesstaat Veracruz.
Der Bundesstaat Veracruz bietet eine abwechslungsreiche Landschaft. Vom den Stränden am Golf von Mexiko bis zu den größten Bergen Mexikos. Die Bergregionen sind insbesondere interessant, weil die Bevölkerung noch wesentlich ländlicher und ursprünglicher lebt, da viele Dörfer immer noch schwer zu erreichen sind. Es gibt inzwischen viele Straßen, die aber teilweise aus Schotterpisten bestehen und die Fahrt zieht sich mehrere Stunden von der letzten größeren Stadt Orizaba über unzählige Kurven zu den Dörflein.
Wir besuchten das Dorf Cuahuixtlahuac. Der Kontakt entstand über einen Dorfbewohner, der zum Studieren in die Stadt zog und sich dort bekehrte. Seit einiger Zeit fahren Gemeindemitglieder regelmäßig dorthin, um über Jesus zu reden und für die Leute zu beten.
Dort angekommen, besuchten wir nach und nach die Familien, die dort Leben. Dazu fuhren wir einfach schrittweise die einzige Straße entlang, die es in dem Ort gibt. Jede Familie begrüßte uns mit Freude, denn sie kannten meine Begleiter schon von vorherigen Besuchen. Wir erkundigten uns nach ihrem Wohlbefinden und unterhielten uns etwas, über ihre aktuelle Situation. Danach hielten wir eine kurze Andacht und beteten für die Familien.
Obwohl die Familien nicht viel hatten, waren sie äußerst gastfreundlich und boten uns Getränke, Essen und frische Früchte an. Die meisten dort leben von Landwirtschaft, indem sie z. B. Bananen, Mangos, Papayas oder Mais anbauen. Die Arbeitsbedingungen sind hart und der Lebensstandard niedriger, als in den Städten, aber auch dort ist inzwischen die Globalisierung angekommen. Obgleich Fenster fehlen und die Dächer teilweise aus Wellblech bestehen, sind die Wände der Häuser fast durchgehend aus Stein und es gibt in der Regel irgendeine Form von Wasserversorgung in den Häusern. Durch die Straße können auch ein paar kleine private Läden mit Produkten versorgt werden.
Die Nacht verbrachten wir in dem Haus einer der Familien. Da es vorher etwas geregnet hatte, war es nicht ganz so heiß. Auf meiner Luftmatratze schlief ich trotzdem nicht besonders gut.
Sonntag
Am Sonntag standen wir früh auf, frühstückten und machten uns schon um 8 Uhr auf den Rückweg. Es war für mich sehr interessant, die verschiedenen Familien kennenzulernen und wie sie trotz ihrer Armut sehr großzügig waren. Gerne wäre ich längere Zeit dort geblieben, denn die Familien brächten jemand, der ihnen beibringt, als neue Schöpfung in Christus und in göttlicher Gesundheit zu leben. Insbesondere dort wäre es nötig, denn Zugang zu medizinischer Versorgung ist schwierig.
Die Fahrt durch die Berge empfand ich dieses Mal etwas angenehmer - vermutlich, weil wir zuerst den kurvigen Teil zurücklegten und danach auf die Autobahn kamen.
Wir kehrten gerade rechtzeitig zum Gottesdienst nach Veracruz zurück, wo ich Nayeli, Ana Keren und viele andere Geschwister traf, von denen ich mich schon verabschieden musste. Danach gingen wir noch in ein Restaurant, wo ich zum ersten Mal Pozole (Eintopf aus Mais) probierte, was mir sehr gut schmeckte.
Am Abend besuchten Nayeli und ich noch eine Freundin, die unter einer seltenen Krankheit litt, durch die sie extrem lichtempfindlich war und die meiste Zeit nur in ihrem dunklen Zimmer verbrachte. Am Anfang erzählte sie mir ihre Geschichte, wie es mit der Krankheit begonnen hatte und wie sie im Krankenhaus Einblicke in die geistliche Welt hatte und unter anderem Engel sehen konnte. Ich konnte sie mit meinem Heilungszeugnis und dem Wort Gottes ermutigen. Anschließend hatten wir eine lange Zeit des Lobpreises und Gebets. Ehrlich gesagt habe ich die Gegenwart Gottes lange nicht mehr so stark gespürt, wie in diesem Moment. Es war wirklich herrlich und Nayeli betete kraftvoll für ihre Freundin.
Montag
Am Montag packte ich in der Früh schnell meine Sachen zusammen, frühstückte und anschließend machten wir uns schon auf den Weg zum Flughafen. Nayeli und Judith begleiteten mich und gerade als wir vor der Sicherheitskontrolle ankamen, liefen wir einer Tante und Cousine von Nayeli über den Weg. Ihre Tante hatte erst vor kurzem aufgrund persönlicher Umstände gebetet, wieder in Kontakt mit Judith zu kommen und war überglücklich über diese Begegnung. Wir großartig unser Gott ist, der auf die kreativsten Wege Leute zusammenführt. Denn zwischen Mexiko-Stadt und Veracruz gibt es täglich zahlreiche Flüge und dass man denselben Flug am selben Tag bucht und sich dann noch vor der Sicherheitskontrolle über den Weg läuft, ist extrem unwahrscheinlich.
Nachdem wir uns alle verabschiedet hatten, hatte ich noch mir Nayelis Tante gute Gespräche und ermutigten uns gegenseitig im Glauben, denn wir saßen sogar im Flieger direkt nebeneinander. Beim Zwischenstopp in Mexiko-Stadt trennten sich schließlich unsere Wege, da sie nach Tijuana und ich nach Hermosillo weiterflog.