Drei Städte in drei Tagen
Von San Cristóbal brach ich am 12. Mai in Richtung Veracruz auf. Ich hatte vorher überlegt, eventuell einen kurzen Abstecher nach Guatemala zu machen, aber entschied mich letztendlich aufgrund des knappen Zeitfensters dafür, lieber auf dem Weg nach Veracruz ein paar Orte in Mexiko zu besichtigen. Meine Route plante ich so, dass ich jeden Tag einen Teil der Strecke zurücklegte und jeweils etwa einen Tag an einem Ort verbrachte.
Palenque
Palenque ist eine kleine Stadt im Osten des Bundesstaates Chiapas, in deren Nähe es Ruinen der Maya gibt. Weil die Straßen zwischen San Cristóbal und Palenque in der Nacht zu gefährlich sind, fahren die nächtlichen Busse eine längere Route über Tuxtla. Der Umweg ist nicht aber so schlimm, weil man während der Fahrt schlafen kann. Was eher stört, sind die schlechten Straßen, die einen fast ständig durchschütteln.
Kurz nach 6 Uhr kam ich schließlich in Palenque an. Da die Busse zu den Ruinen von dort erst um 7 Uhr starten, nutzte ich das WLAN am Busterminal, um mit meiner Familie zu telephonieren. Schließlich brach ich mit dem Bus zu den Ruinen auf, um dort festzustellen, dass die Tür zum archäologischen Park erst um 7:30 Uhr geöffnet wird. Danach dauerte es noch bis um 8 Uhr, bis die Kasse für Tickets öffnete. Um die Wartezeit zu überbrücken, kaufte ich mir ein Atole und genoss mein Frühstück mit süßem Brot, das ich noch am Vortag in San Cristóbal gekauft hatte. Durch meine frühe Ankunft war ich anschließend in der ersten Gruppe, die mit dem Bus zu den Ausgrabungen fuhr.
Die Ausgrabungen in Palenque sind auf jeden Fall einen Besuch wert. Da die antike Stadt etwa im achten Jahrhundert verlassen wurde und nach und nach vom Dschungel überwachsen wurde, wurden die Ruinen erst im 18ten Jahrhundert entdeckt und einige Jahrzehnte später ausgegraben. Zu den bisher ausgegrabenen Gebäuden der Stadt gehören der Königspalast und pyramidenförmige Tempel und Grabmäler. Es bestehen meiner Meinung nach erstaunlich viele Parallelen zu der ägyptischen Hochkultur, auch wenn es große geographische, zeitliche und ethnische Unterschiede gibt. Dadurch hatten die Maya natürlich eine andere Kultur, Religion, Architektur, Sprache und Schrift, aber sie bauten ebenfalls Pyramiden, hatten Herrscher mit göttlichem Anspruch wie die Pharaonen und eigene Schriftzeichen. Besonders an den Maya dürfte der große Fokus auf astronomische Zyklen und die starke Einbeziehung der Maispflanze in die Religion sein. Interessant ist auch, dass die Zivilisation der Maya dezentraler war und daher die verschiedenen Bauwerke über Mexiko und Guatemala verteilt liegen. Palenque ist dabei nicht besonders groß, aber dafür gut erhalten.
Nach dem Besuch der Ruinen, ging ich noch mit meinem Führer in den nahegelegenen Dschungel, wo weitere Ruinen unter der Natur begraben liegen und darauf warten, ausgegraben zu werden. Das meiste lässt sich nur grob erkennen, z. B. ob es sich um einen Tempel oder Wohnhaus gehandelt hat, denn an der Oberfläche sieht man nur verstreute Steine. An einer Stelle ist aber sogar ein Tunneleingang sichtbar. Im Dschungel sind auch viele Tiere in freier Wildbahn unterwegs. Es ist aber eher selten, dass man sie zu Gesicht bekommt. Als wir im Dschungel unterwegs waren, begegnete uns allerdings tatsächlich eine Gruppe Brüllaffen, die wir minutenlang beobachten konnten. Für Photos waren sie leider zu weit oben in den Bäumen, aber die Erfahrung war definitiv etwas Besonderes für mich.
Nach der Besichtigung der Ausgrabungen, gönnte ich mir einen kalten Pozol, quasi die ursprüngliche Version von Kakau. Bei der Hitze ist das wirklich das perfekte Getränk und auch wesentlich gesünder als die sonst üblichen Erfrischungsgetränke, die man in Mexiko kaufen kann. Danach machte ich noch einen kurzen Abstecher in das nahegelegene archäologische Museum, das zwar relativ klein ist, aber einige interessante archäologische Funde ausstellt und durch Tafeln auch etwas Kontext dazu gibt.
Wieder in der Stadt angekommen, hatte ich noch ein paar Stunden Zeit bis zu meinem Bus, der mich ins nahegelegene Villahermosa bringen würde, wo ich ein Hotel reserviert hatte. Also lief ich noch ein bisschen durch das Stadtzentrum und kaufte mir ein paar leckere Tacos zum Essen. Das einzige besondere, was mir in Palenque im Gegensatz zu anderen Städten im Süden von Mexiko auffiel, war eine Straße extra für Touristen. Dort ist die Straße schön hergerichtet und man findet zahlreiche Hotels und Restaurants, die mindestens doppelt so teuer sind, wie die Restaurants der Einheimischen nur eine Straße weiter. Aufgrund der stechenden tropischen Hitze war ich aber auch ganz froh, irgendwann am Busterminal anzukommen und weiterzufahren.
Villahermosa
Die Fahrt nach Villahermosa, der Hauptstadt des Bundesstaates Tabasco, verlief reibungslos und dauerte etwas über zwei Stunden. Mich überraschte es allerdings, dass es selbst auf der Landstraße zahlreiche Fahrbahnschwellen gab. Immer wieder musste der Bus von einer hohen Geschwindigkeit abbremsen, um die Schwellen zu passieren.
In Villahermosa angekommen ging ich direkt vom Busterminal zum Hotel und checkte dort ein. Anschließend machte ich eine Erkundungstour der Stadt und lief ein gutes Stück am Río Grijalva entlang. Der Gehweg am Fluss ist wirklich schön gemacht und auch nach Sonnenuntergang sehr schön zum Spazieren oder theoretisch auch zum Skaten gut geeignet. Zum Abendessen kaufte ich mir Elotes und Tamales, die direkt auf dem Weg an kleinen Ständen angeboten wurden. Besonders die Tamales schmeckten mir sehr gut.
Am Abend traf ich noch einen Mann auf der Straße, dem ich von der Bibel erzählen konnte. Er glaubte an Gott und war viel durch Mexiko gereist, aber war eher enttäuscht von den Christen. Ich konnte ihn ermutigen und das Evangelium noch klarer auslegen.
Schließlich kam ich recht spät wieder im Hotel an und legte mich schlafen. Das ganze Reisen und möglicherweise das konstante Surren der Klimaanlage führen dazu, dass ich am nächsten Morgen meinen Wecker, den ich normalerweise auf Vibration stelle, verschlief und ich erst kurz vor dem Check-out aufwachte. Also packte ich eilig meine Sachen ein und machte mich wieder auf den Weg.
Dieses Mal erkundigte ich die Fußgängerzone und einen See in der Nähe des Zentrums, Lagune der Illusionen genannt. In weiten Teilen der Stadt gab es aus meiner Sicht nichts Bemerkenswertes zu sehen, aber der See gefiel mir sehr gut, vor allem aufgrund der schönen Wege und der großen Vielfalt an Vögeln, die man aus der Nähe betrachten konnte. Gegen Abend kaufte ich mir erneut zwei Tamales, allerdings mit anderen Sorten und eine Huarache (wörtlich Sandale) und bereitete mich auf meine Weiterreise nach Orizaba vor.
Orizaba
Die Fahrt nach Orizaba, einer kleinen Stadt in den Bergen von Veracruz, verlief gut, aber wirklich gut schlief ich im Bus nicht. In Orizaba angekommen, ging ich in Richtung Hotel, auf den Check-in musste ich allerdings noch bis zum Nachmittag warten. Gegenüber vom Hotel fand ich einen schönen Park, wo ich erstmal frühstückte und eine Pause machte, um mich von der Nacht im Bus zu erholen. Das Gepäck ließ ich schließlich im Hotel zurück und telephonierte in der Lobby mit meiner Familie, bevor ich mich wieder auf den Weg ins Zentrum machte.
Dort sprach mich kurz darauf Miguel, ein Lehrer aus Orizaba, an, vermutlich weil ich mit meinem Sombrero und auch nach meinem restlichen Erscheinungsbild offensichtlich kein Einheimischer war. An diesem Tag war zufälligweise Tag des Lehrers, so dass Miguel frei hatte. Gemeinsam besichtigten wir die Stadt und unterhielten uns lange über verschiedene Themen. Unter anderem erzählte ich ihm einiges über meine Erlebnisse mit Gott und er erzählte mir viel über das Schulsystem und die Politik in Mexiko.
Interessant für mich war vor allem die Schulpflicht bis 18 in Mexiko, wobei alle zur selben Schulart gehen. Jede neue Regierung ändert zudem erhebliche Teile des Lehrplans und der pädagogischen Richtlinien. Aus der Vergangenheit gibt es noch einige Verträge, die auf korrupte Regierungen zurückgehen, die vielen gegen Geld staatliche Stellen anboten, teilweise ohne Qualifikation. Damals war es ebenfalls möglich, mehrere Stellen als Lehrer parallel anzunehmen, um sein Gehalt aufzubessern. Inzwischen sei das nicht mehr möglich, aber aufgrund der vielen Lehrer mit alten Verträgen unterrichtet Miguel in Klassen von teilweise nur acht Kindern.
Mit einem Lehrer unterwegs zu sein, hatte auch einige praktische Vorteile. Miguel konnte mich z. B. kostenlos in den botanischen Garten mitnehmen. Obgleich klein, ist der Garten schön gepflegt und bietet nicht nur Pflanzen, sondern hat auch ein Gehege für Papageien.
Danach brachte er mich mit seinem Auto zum Palacio de Hierro (Eisenpalast), der tatsächlich von Gustave Eiffel entworfen wurde. Dort gibt es zahlreiche kleine Museen, die wir uns anschauten. Anschließend liefen wir noch zum ebenfalls sehr schönen Regierungspalast und kehrten kurz ein, um gemeinsam Tortas zu Essen, bevor ich mich verabschiedete und mich auf den Weg zum Hotel machte.
Möglicherweise hat mir die ständige Busfahrerei oder das Essen auf der Straße nicht ganz so gutgetan. Jedenfalls fühlte ich mich am Abend nicht so gut, hatte Durchfall und auch die Nacht im Hotel war nicht besonders erholsam. In der Früh blieb ich also etwas länger als geplant im Hotel, um mich zu erholen. Ich fühlte mich aber schon wieder fit genug, um noch eine letzte Attraktion der Stadt anzuschauen.
Mit dem Teleférico (Seilbahn) fuhr ich auf einen kleinen Berg in der Nähe der Stadt. Von dort kann man die Stadt sehr gut sehen und normalerweise auch den höchsten Berg Mexikos, den Pico de Orizaba. An diesem Tag war es aber sehr diesig, sodass man leider nicht sehr weit sehen konnte.
Der Ort hat interessanterweise auch eine besondere Geschichte. Denn während der französischen Intervention in Mexiko (aufgrund der Einstellung von Schuldenrückzahlungen und weiterer Machtansprüche Napoleon III) fand dort 1862 ein Gefecht statt. Die mexikanischen Truppen, die die Franzosen verfolgten, bezogen auf dem Berg Stellung, wurden aber letztendlich selbst in die Flucht geschlagen.
Nach einem kleinen Mittagessen, brach ich vom Berg wieder zum Busterminal auf, wo ich nach Veracruz (eine Stadt mit demselben Namen wie der Bundesstaat) weiterfahren würde.