Ein kurzer Besuch in San Cristóbal de las Casas

Aaron Erhardt - Sa., 31. Mai 2025

Ankunft

Von Tuxtla brach ich um kurz vor 12 Uhr nach San Cristóbal de las Casas auf. Die Busse frequentieren regelmäßig zwischen den beiden Städten und auch zu - für deutsche Verhältnisse - extrem günstigen Preisen von umgerechnet etwa 3€. Nach einer zweistündigen Fahrt durch die Berge kam ich am Busterminal an, das nicht weit vom Zentrum entfernt liegt. An diesem Tag hatte es sehr gutes Wetter, wodurch es auch in San Cristóbal heiß war, wenngleich wesentlich erträglicher als in Tuxtla.

Da ich von Gott einen Eindruck erhalten hatte, dass ich mich nicht um eine Unterkunft kümmern sollte, hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Unterkunft organisiert. Ich war mir sicher, dass Gott schon einen Plan hatte. Außerdem wollte ich den Fehler, den ich in Mexiko-Stadt gemacht hatte, als ich entgegen der Zusage Gottes unnötigerweise ein Hotel gebucht hatte, nicht wiederholen.

Erst am Abend davor hatte ich von einer Gemeinde in Tuxtla einen Kontakt zu Javier und Karen, einem Ehepaar in San Cristóbal, erhalten, mit denen die Gemeinde erst vor kurzem bei einem Projekt für indigene Kinder zusammengearbeitet hatte. Also machte ich mich vom Zentrum aus auf den Weg, um die beiden zu treffen. So entstand ein wunderbarer Kontakt, der noch heute extrem wertvoll für mich ist.

Zum einen konnten sie mir eine Wohnung eines Familienangehörigen vermitteln, die gemütlich, ruhig und günstig war und in der Nähe des Stadtzentrums liegt. Dort zu leben habe ich sehr genossen. Zum anderen konnte ich so bei verschiedenen sozialen Aktivitäten mithelfen und wurde quasi direkt in die Familie aufgenommen. Sowohl zum Muttertag als auch zu einer Geburtstagsfeier wurde ich eingeladen und herzlich von allen aufgenommen. Dadurch lernte ich auch sehr viel über die Region, Kultur und regionale Küche.

Selbstgemachte Quesadillas
Fiesta mexicana 🇲🇽🎉

Nachdem ich die beiden kennengelernt hatte, machte ich mich noch auf den Weg zu der Basis von JMEM in San Cristóbal. Dort kam ich zufällig gerade rechtzeitig zu einem späten Mittagessen und wurde prompt eingeladen. Die Basis ist klein und familiär. Ich fühlte ich mich dort sehr wohl und wir hatten gute Gespräche. Leider konnte ich nicht länger in der Basis bleiben, weil die meisten schon am Folgetag nach Guadalajara zu einem Seminar aufbrachen. Trotzdem hat es mich sehr gefreut, die Missionare dort kennenzulernen und das Essen war - nebenbei bemerkt - auch außerordentlich lecker.

Die Stadt

San Cristóbal liegt auf etwa 2100 Metern in einem Gebirgszug im Bundesstaat Chiapas. Dadurch ist das Klima wesentlich kühler als im nahegelegenen Tuxtla. Die Temperaturen liegen im Mai tagsüber normalerweise etwas über 20°C, in der Nacht etwa bei 10°C. Im Mai beginnt auch die Regenzeit, die sich allerdings zum Glück noch nicht so stark bemerkbar machte.

Das Stadtbild ist geprägt von kleinen Häusern und engen Gassen, bei denen es sich überwiegend um Einbahnstraßen mit minimalistischen Gehwegen handelt. Vermutlich aufgrund des für Europäer verträglicheren Wetters und da San Cristóbal - im Gegensatz zu vielen anderen mexikanischen Städten - nicht auf eine indigene Siedlungen zurückgeht, ist der koloniale Einfluss dort stark zu spüren. Die Altstadt erinnert an europäische Städte und insgesamt empfand ich das Stadtbild schöner als in anderen mexikanischen Städten.

Eine Kirche in Zentrum

Auch bei den Läden gibt es gewisse Unterschiede. Wie in Mexiko üblich gibt es überall kleine Läden, die Snacks, Erfrischungsgetränke und andere Kleinigkeiten anbieten. Dazu kommen Läden, die ähnlich wie auf dem Markt in Tuxtla Früchte und Gemüse verkaufen. Auf der Straße findet man hingegen nur gegen Abend im Stadtzentrum etwas zu kaufen, zumindest bei gutem Wetter. Denn aufgrund des teilweise regnerischen Wetters und der engen Straßen befinden sich aber fast alle Läden innerhalb von Häusern.

Bevölkerung

Die Bevölkerung von San Cristóbal besteht aus einem einzigartigen Mix aus Europäern, US-Amerikanern, “normalen” Mexikanern und indigenen Völkern aus dem Umkreis, die mehr oder weniger gut integriert sind. Damit kommen eine große kulturelle Vielfalt, aber auch zahlreiche Probleme. Zum einen sorgen die vielen Touristen und westlichen Einwanderer dafür, dass die Mietpreise in der Stadt steigen, da sie oft viel mehr verdienen und in der Lage sind, höhere Mieten zu zahlen, als die einheimische Bevölkerung. Andererseits sind zumindest Touristen auch ein wichtiger Teil der Wirtschaft.

Gleichzeitig immigrieren viele aus den indigenen Dörfern in die Stadt. Weil die Berge im Umkreis nur schlecht erschlossen sind, haben sie oft ihre Sprache und Kultur erhalten. Das ist grundsätzlich gut, aber wenn Familien in die Stadt ziehen, um dort nach einem besseren Leben zu suchen, geschieht das nicht selten illegal und ohne Integration. Konkret bedeutet das, dass Familien in großer Armut landen, beide Elternteile auf der Straße arbeiten und Kinder in prekären Verhältnissen aufwachsen, ohne zur Schule zu gehen. Teilweise, weil die Kinder bei den Eltern mitarbeiten müssen, teilweise, weil die Eltern sich die Bücher und Schreibsachen für die eigentlich kostenlosen Schulen nicht leisten können und teilweise, weil kein Verständnis über das Schulsystem vorhanden ist.

Deswegen haben Javier und Karen, die sich schon Jahrzehnte für indigene Kinder einsetzen, vor kurzen eine Stiftung gegründet, um ihre Bemühungen auszuweiten. Die Stiftung könnt ihr auf Facebook und Instagram finden.

Meine Aktivitäten

In San Cristóbal half ich Karen bei verschiedenen Aktivitäten. Zum Beispiel besuchten wir Kinder einer indigene Familie, deren Eltern tagsüber arbeiten. Wir brachten den Kindern Spielsachen und Essen, spielten mit ihnen und übten mit ihnen Schreiben und Rechnen. Die kleinen Kinder in ärmlichsten Verhältnissen zu sehen, hat wirklich mein Herz gebrochen. Es fehlt aber nicht nur an Geld, sondern auch an Bildung, um den Kindern eine gute Perspektive für die Zukunft zu geben. Denn der älteste der fünf Kinder namens Erick kann mit acht Jahren bisher gerade mal seinen Namen schreiben und einstellige Zahlen zuverlässig im Kopf addieren.

Die Kinder beim Spielen mit Dinos
Eine Umarmung :)
Gemeinsam beim Malen

Außerdem besuchten wir ein Heim chronisch kranker Frauen, die von ihren Familien verlassen wurden. Der Besuch war nicht einfach zu verkraften, da die meisten Bewohnerinnen sehr schwer körperlich oder psychisch krank waren. Wir halfen den Frauen beim Essen und leisteten ihnen etwas Gesellschaft. Für einige Frauen konnte ich auch um Heilung beten.

Ein weiteres Projekt, dass Karen unterstützt, ist der Comedor (Speisesaal), wo bedürftige Familien warme Mahlzeiten umsonst erhalten. Das Projekt unterstützte ich indirekt über Hilfe beim Videoschneiden für Social Media. Eventuell kann ich in der Zukunft noch eine kleine Anwendung zum Verwalten der ausgegebenen Mahlzeiten entwickeln, denn die manuelle Buchhaltung kommt bei der Anzahl der Bedürftigen langsam an ihre Grenzen.

Ich bin froh, dass ich Gottes Willen tun durfte, indem ich Menschen konkret geholfen habe. Aber ich bin mir auch bewusst, dass es viel mehr und vor allem langfristige Hilfe benötigt, um wirklich einen Unterschied zu machen. Deswegen werde ich Karen und ihre Stiftung weiterhin aus der Ferne unterstützten und hoffe, vielleicht nächstes Jahr zurückzukehren.

Das Ganze hat mich zum Nachdenken über die Mission angeregt. Denn es fehlen viele Arbeiter, die bereit sind, um in den reifen Feldern zu arbeiten - überall wo man hinkommt. Aber dazu schreibe ich bei Gelegenheit einen separaten Artikel.

Chamula

Für alle, die noch ein bisschen mehr lesen möchten und die kulturelle und religiöse Situation rund um San Cristóbal etwas besser verstehen wollen, habe ich noch einen kleinen Abschnitt zu Chamula verfasst. Auch wenn ich selbst nicht dazu gekommen bin, diesen Ort in der Nähe von San Cristóbal zu besuchen, habe ich viele Geschichten gehört, die interessant genug sind, um einen eigenen Abschnitt zu schreiben.

Eigentlich ist Chiapas der Bundesstaat, der am besten mit dem Evangelium erreicht ist. Aber in einigen indigenen Orten ist de facto keine freie Religionsausübung möglich. Die Einwohner von Chamula sprechen überwiegend Tzotzil, ihre eigene Sprache aus der Familie der Maya-Sprachen und sind extrem traditionell. Das für sich selbst ist keine schlechte Sache. Allerdings fanden in der Vergangenheit Christenverfolgungungen statt, bei denen mehrere Leute umkamen, weil die Chamulaner ihren katholischen Glauben vehement verteidigten. Das ist ein weiterer Grund für Auswanderung nach San Cristóbal, da Christen nur unter Lebensgefahr dort leben können.

Dabei ist der katholische Glaube der Ortschaft nicht einmal vereinbar mit der katholischen Lehre. Denn es werden Tieropfer dargebracht und religiöse Trinkgelage gefeiert. Mich wundert es ein bisschen, dass die katholische Kirche das zulässt. Aber so sieht aktuell zumindest die Situation in Chamula aus. Selbst mir als Deutscher wurde wegen Lebensgefahr davon abgeraten, dort auch nur über das Evangelium zu reden.

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Autor: Aaron Erhardt
Veröffentlicht: Sa., 31. Mai 2025
Aktualisiert: Sa., 31. Mai 2025
Kategorien: #mexiko  #chiapas  #san-cristobal  #reisen